Blick über die Märkte vom 1. August 2022

Blick über die Märkte vom 1. August 2022

Die US-Wirtschaft ist im zweiten Quartal in Folge geschrumpft, was eine Debatte darüber ausgelöst hat, ob sich die USA in einer Rezession befinden.

Die US-Wirtschaft ist im zweiten Quartal in Folge geschrumpft, was eine Debatte darüber ausgelöst hat, ob sich die USA in einer Rezession befinden. Dies lag aber insbesondere an Lagereffekten und nicht an den Kerngrößen des wirklichen Zustands der amerikanischen Konjunktur, wie dem Arbeitsmarkt (Vollbeschäftigung), den Einkommen der privaten Haushalte oder der industriellen Produktion, die sich in diesem Jahr bisher überwiegend gut gehalten haben. Umgekehrt überraschte das Wirtschaftswachstum im Euroraum mit einer positiven Entwicklung, wobei vor allem der wiedererstarkte Tourismus in Ländern wie Italien und Spanien zu deutlichem Wachstum führten. Auch Frankreich wuchs wieder, während die deutsche Wirtschaft im zweiten Quartal gegenüber dem Vorquartal stagnierte (Bruttoinlandsprodukt allerdings eineinhalb Prozent über Vorjahresniveau). Das spiegelt die zunehmende Nachfrageeintrübung der vergangenen Monate hier zu Lande insbesondere im Zuge der steigenden Energiesorgen wieder.  Die Abschwächung zeigten zuletzt praktisch alle gerade deutschen Frühindikatoren von den Einkaufsmanagerindizes über das Ifo-Geschäftsklima bis zu insbesondere dem sehr schwachen GfK-Konsumklima für den August wieder - genauso wie die heute für den Juni publizierten Einzelhandelsumsätze, die nicht nur spürbar niedriger als im Vormonat ausfielen, sondern um zehn Prozent (!) unter dem Niveau des Vorjahresmonats liegen. Es wird also immer mehr sichtbar, wie sehr die Menschen ihr Geld zusammenhalten und mittlerweile beispielsweise an neuen Textilien sparen. Es gibt somit immer mehr Gründe, warum die Eurozone insgesamt trotz ihres bisherigen Wachstums in eine Rezession laufen dürfte: Erstens sinken die Gaslieferungen aus Russland seit Mitte Juni und sind aktuell auf einem niedrigen Niveau angekommen. Die Wucht des Energieschocks wird daher wahrscheinlich ab dem laufenden dritten Quartal noch mehr zu spüren sein, und möglicherweise nochmal mehr im Winter. Zweitens ist die Inflation im Euroraum im Juli mit 8,9% stärker als erwartet auf ein weiteres Allzeithoch geklettert, was den Druck auf die EZB aufrechterhält, ihre Leitzinsen erst einmal - trotz der steigenden Rezessionsanzeichen - weiter zu erhöhen. Dies wird die Finanzierungsbedingungen weiter verschärfen und die Nachfrage belasten. Und drittens könnte die politische Unsicherheit in Italien hinsichtlich der am 25. September anstehenden Wahlen die durch den russischen Angriffskrieg und seine Folgen schon deutlich gestiegene Unsicherheit in Europa weiter erhöhen.
Anders als in der Eurozone insgesamt, wo es etwa in den baltischen Ländern auch Inflationsraten von um 20% gibt, nahm die Teuerungsrate im Juli nach ersten Berechnungen des Statistischen Bundesamtes im Juli minimal auf 7,5% ab. Dies lag aber an deutschen Sondereffekten wie dem Wegfall der "EEG"-Umlage (staatliche Umlage zur Förderung der Energieerzeugung aus erneuerbaren Energien nach dem Erneuerbare-Energien-Gesetz) sowie an den nur noch bis Ende August laufenden Effekten des "9-Euro-Tickets" und der Tankrabatte. Ohne diese Effekte wäre wohl auch die deutsche Inflationsrate weiter angestiegen. Jedenfalls ist nach dem Wegfall der beiden letztgenannten Effekte ab September erst einmal wieder rein daher mit Aufwärtsdruck bei den deutschen Inflationszahlen zu rechnen, zumal die Preise für Gas und Strom unter zwar deutlichen Schwankungen weiterhin aufwärts tendieren. In den USA gab das Verbrauchervertrauen im Juli zwar etwas mehr als erwartet nach, dennoch hob die Fed ihren Leitzins wie erwartet um weitere 75 Basispunkte auf 2,25% bis 2,50% weiter an und wird ihn aus heutiger Sicht auch im September wieder erhöhen. Jedoch gehen wir weiterhin davon aus, dass die US-Notenbank ihren Leitzins insgesamt nicht so stark erhöhen wird wie der Markt es immer noch einpreist, zumal Fed-Chef Jerome Powell betonte, dass man ab jetzt primär datenabhängig agieren will, sprich auf konjunkturelle Abwärtssignale reagieren will - dabei aber weiterhin das 2%-Inflationsziel nicht außer Auge verlieren wolle. In China schließlich enttäuschten die jüngsten Einkaufsmanagerindizes für den Juli insbesondere für das verarbeitende Gewerbe, wo die Daten aktuell sogar eine leichte Schrumpfung anzeigen, während der Dienstleistungsbereich nach wir vor, wenn auch ebenfalls gegenüber dem Vormonat leicht gedämpft, klar auf Wachstumskurs bleibt.
Trotz des auch im Juni anhaltend guten Arbeitsmarktes steuert die deutsche Wirtschaft schweren Zeiten entgegen: Die Gas-Krise treibt Deutschland wahrscheinlich in die Rezession. Die direkten und indirekten Auswirkungen der Russland-Krise von höheren Energiepreisen bis zu den umfangreichen Einsparungen bergen erst einmal den Abschwung noch verstärkende Inflationsgefahren, bevor sich wahrscheinlich gegen Jahresende die desinflationären Effekte vermehrt durchsetzen. Wir rechnen vor allem für den Winter mit einem spürbaren Rückgang der deutschen Wirtschaftsleistung. Diese Woche kommen am Mittwoch die wahrscheinlich den zweiten Monat in Folge defizitäre Handelsbilanz für Juni und in der zweiten Wochenhälfte die Auftrags- als Produktionszahlen der Industrie. Während für den Euroraum die Einzelhandelsumsätze am Mittwoch publiziert werden, stehen in den USA heute Nachmittag und am Mittwoch die Einkaufsmanagerberichte des Institute for Supply Management („ISM“) im Fokus. Das eigentliche US-Daten-Highlight wartet nach den Auftragseingängen bei der Industrie (Mittwoch) dann am Freitag: der amerikanische Arbeitsmarktbericht für Juli. Und in China wird am Mittwoch noch ein weiterer Einkaufsmanagerindex für den Dienstleistungssektor veröffentlicht.

RELATIVE TAKTISCHE ASSET-ALLOKATION
Unsere Anlagestrategie bleibt weiterhin auf Diversifikation ausgerichtet. Dabei gewichten wir angesichts der gestiegenen Rezessionsgefahren für den Euroraum Aktien dieser Region nun unter, womit wir auch unsere bislang insgesamt übergewichtete Aktienposition auf neutral zurückgenommen haben. Unsere übergewichteten Regionen bleiben die aus unserer Sicht insgesamt derzeit stabileren US-Aktien, und auch jene aus Schwellenländern gewichten wir weiterhin leicht über. Unsere strukturellen Branchenfavoriten lauten nach wie vor Technologie und Gesundheit.
Im Gegenzug zur Reduzierung der Aktienpositionierung beenden wir unsere leichte Untergewichtung der Rentenseite und sind damit auch hier insgesamt neutral aufgestellt. Wir haben dabei unsere Untergewichtung von US-Unternehmensanleihen guter Bonität (Investmentgrade) beendet und favorisieren weiter Schwellenländer-Staatsanleihen in Hartwährung gegenüber niedrig verzinslichen europäischen Staatspapieren. Gold bleibt für uns ein wichtiger diversifizierender Kernbestandteil von Portfolios.

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