Handelszölle | Wie wirken sie sich auf die Wirtschaft und den Markt aus?
Am Wochenende begann US-Präsident Donald Trump einen "Handelskrieg" mit seinen drei wichtigsten Handelspartnern, indem er die Zölle auf alle Einfuhren aus Mexiko und Kanada auf 25 % und auf Einfuhren aus China auf 10 % erhöhte. Unmittelbar danach erklärten Kanada und Mexiko ihre Absicht, als Vergeltung die Zölle auf US-Einfuhren zu erhöhen. China kündigte hingegen an, die Zölle bei der Welthandelsorganisation rechtlich anzufechten. Die Europäische Union ist (noch) nicht von den Zöllen betroffen. Doch angesichts der Tatsache, dass Trump die EU regelmäßig dafür kritisiert, dass sie Handelsüberschüsse mit den USA erzielt, steigt das Risiko, dass nach einer Überprüfung der Handelsströme im April (oder früher) höhere Zölle verhängt werden, erheblich.
Aus wirtschaftlicher Sicht wird jetzt schon fast die Hälfte aller US-Importe von höheren Zöllen betroffen sein, was zu einer Unterbrechung der Lieferketten führen und sich auf die Volkswirtschaften der USA, Kanadas und Mexikos auswirken könnte. Das verarbeitende Gewerbe und Sektoren wie die Automobilindustrie, die eng in die nordamerikanischen Lieferketten eingebunden sind, werden wahrscheinlich mit höheren Kosten und möglicherweise auch Störungen der Lieferketten konfrontiert werden. Wir glauben, dass höhere Zölle das US-Wachstum beeinträchtigen und den US-Dollar stärken könnten, während gleichzeitig das Risiko einer höheren Inflation steigt. Allerdings würde eine stärkere Währung die Auswirkungen höherer Importpreise abmildern, und das US-Wachstum dürfte von fiskalischen Impulsen profitieren. Angesichts der Unsicherheiten im Zusammenhang mit der Umsetzung dieser Zölle nehmen wir aber keine Änderungen an unseren Prognosen vor.
Als Reaktion darauf fielen die Aktienkurse am Montagmorgen, während der US-Dollar und die Anleiherenditen stiegen. Auch die Ölpreise stiegen angesichts der geringeren, nur 10%igen Abgabe für kanadische Energie, leicht an. Mexikanische und kanadische Werte verloren am meisten an Wert. Wir sind in diesen Werten aber kaum engagiert. Sie machen etwa 0,5 % (sowohl Aktien als auch Anleihen) unseres Gesamtbestands in unseren ausgewogenen Portfolios aus. In naher Zukunft werden wir wahrscheinlich weiterhin die USA differenziert betrachten, was bedeutet: (1) eine Präferenz für US-Vermögenswerte wie Aktien in unserer taktischen Positionierung, aber eine vorsichtige Haltung gegenüber Staatsanleihen aufgrund von fiskalischen Bedenken (es sei denn, die Bewertungen werden attraktiver) und (2) für den Rest der Welt gehen wir keine aktiven Aktienpositionen ein und haben ein "Versicherungs"-Instrument, das an Wert gewinnt, wenn europäische Aktien fallen, da die Abwärtsrisiken hier zunehmen. Außerdem fahren wir eine Übergewichtung bei kurzlaufenden europäischen Staatsanleihen (oder Gilts in Sterling-Portfolios), da sie von Abwärtsrisiken für das Wachstum und weiteren Zinssenkungen in der Eurozone und im Vereinigten Königreich gegenüber den USA profitieren.
KI | Ist der verstärkte Wettbewerb eine positive Entwicklung?
In den Sechzigerjahren erregte das Wettrennen zwischen den USA und der Sowjetunion im Weltraum die Aufmerksamkeit der Weltöffentlichkeit und kurbelte das Wirtschaftswachstum an. Der Start des chinesischen KI-Modells DeepSeek hat Anfang letzter Woche die Märkte erschüttert und das KI-Rennen zwischen den USA und China eingeleitet. Während es noch offene Fragen darüber gibt, wie DeepSeek in der Lage war, vergleichbare Ergebnisse wie seine US-Konkurrenten zu niedrigeren Kosten zu erzielen, sind für uns die potenziellen Auswirkungen dieses Wettlaufs auf die Wirtschaft und den Markt von Bedeutung.
Die jüngste Entwicklung von KI-Modellen hat aufgrund der steigenden Nachfrage nach neuen Chips, Rechenzentren und Energieversorgung inflationär gewirkt. Wir glauben jedoch, dass die Einführung von KI auf lange Sicht deflationär sein wird. Das Auftauchen von DeepSeek könnte diese deflationäre Phase beschleunigt haben. Der verstärkte Wettbewerb wird die Anbieter bestehender Modelle wahrscheinlich dazu zwingen, ihre Preise zu senken, was OpenAI bereits getan hat. Diese niedrigeren Kosten für Nutzer könnten der US-Notenbank (Fed) einigen inflationären Gegenwind nehmen und dazu beitragen, künftigen Inflationsdruck durch US-Steuersenkungen oder Zollerhöhungen auszugleichen.
Im Moment gehen wir davon aus, dass die Volatilität bei KI-bezogenen Aktien und Aktienindizes kurzfristig anhalten wird. Dies ist einer der Gründe, warum wir ein "Versicherungsinstrument" halten, um die Auswirkungen möglicher Rückgänge bei US-Aktien abzufedern. Langfristig glauben wir, dass KI ein struktureller Wachstumstreiber bleiben wird, da die Tech-Giganten weiterhin in diesen Sektor investieren.
Die USA | Wird die Fed die Zinsen 2025 senken?
In der vergangenen Woche beließ die Fed die Zinssätze in der Spanne von 4,25 bis 4,50 %, nachdem sie sie im Jahr 2024 dreimal in Folge gesenkt hatte. Der Fed-Vorsitzende Powell deutete an, dass die Zentralbank die Zinssätze in den kommenden Monaten beibehalten werde. Wir gehen davon aus, dass die meisten anderen Zentralbanken die Zinssätze im Jahr 2025 senken werden (siehe unten). Grund ist die sich dem Ziel von 2 % sich annäherde Inflation und das sich verlangsamende Wachstum, während die Inflationserwartungen gut verankert bleiben und die finanziellen Bedingungen weiterhin restriktiv sind.
Auch wenn keine Eile geboten ist, gehen wir davon aus, dass die Fed die Zinssätze bis zum Jahresende etwas senken wird, da die Inflation weitere Fortschritte macht und sich das Wirtschaftswachstum schließlich auf ein immer noch solides, aber eher durchschnittliches Tempo normalisiert. Insgesamt dürften die Aktien weiterhin von weiteren Zinssenkungen und einem soliden Wachstum profitieren. Aus diesem Grund halten wir mehr Aktien als Anleihen und haben innerhalb dieser Anlageklasse eine Übergewichtung in US-Aktien. Angesichts der jüngsten Ankündigungen von Zöllen ist dieses Basisszenario jedoch mit erheblichen Risiken behaftet: Die Inflation könnte höher ausfallen und die Fed daran hindern, die Zinsen zu senken. Doch angesichts der positiven Impulse der fiskalischen Anreize dürfte das US-Wachstum profitieren und die US-Aktienmärkte unterstützen.
Diese Woche | Britische Zinssätze und der US-Arbeitsmarkt
Letzte Woche hat die Europäische Zentralbank (EZB) den Leitzins auf 2,75 % gesenkt, und wir gehen davon aus, dass sie die Zinsen 2025 weiter senken wird. Wir meinen, dass die Zinssätze zum Jahresende bei 2 % liegen werden, also deutlich niedriger als in den USA. Die Inflation liegt in der Nähe des EZB-Ziels von 2 %, und nach Aussage von EZB-Präsidentin Lagarde dürfte die Wirtschaft "in nächster Zeit schwach bleiben".
Wir glauben, dass die Bank of England am Donnerstag diesem Beispiel folgen und den Leitzins auf 4,5 % und schließlich bis Ende 2025 auf 4 % senken wird. Aus diesem Grund sind wir in Euro-Portfolios in kurzlaufende Staatsanleihen der Eurozone und in in Gilts investiert.
Was die USA betrifft, so werden sich die Märkte in dieser Woche auf die verschiedenen US-Arbeitsmarktberichte konzentrieren. Die Schaffung von Arbeitsplätzen hat sich im Januar (Freitag) wahrscheinlich verlangsamt, nachdem im Dezember ein überraschend hoher Anstieg zu verzeichen war. Dies wird die US-Notenbank jedoch wahrscheinlich nicht davon abhalten, die Zinsen vorerst beizubehalten, da dies teilweise auf die Waldbrände in Los Angeles County zurückzuführen ist. Die zugrunde liegende Schaffung von Arbeitsplätzen bleibt stark.
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Hinweis: Jeder Hinweis auf die Portfoliopositionierung bezieht sich auf unsere Kernportfolios mit Verwaltungsvollmacht. Kunden mit maßgeschneiderten oder beratenden Portfolios sollten sich bei ihrem Kundenberater über ihre aktuelle Positionierung informieren.
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