Blick über die Märkte vom 23. Mai 2022

Blick über die Märkte vom 23. Mai 2022

Das ökonomische Weltbild ist derzeit regional unterschiedlich: Die Wahrscheinlichkeit einer Rezession bleibt im Euroraum höher als in den USA und China, da Deutschland & Co stärker vom Konflikt in der Ukraine betroffen sind und in hohem Maße vor allem von russischem Gas abhängen.

Das ökonomische Weltbild ist derzeit regional unterschiedlich: Die Wahrscheinlichkeit einer Rezession bleibt im Euroraum höher als in den USA und China, da Deutschland & Co stärker vom Konflikt in der Ukraine betroffen sind und in hohem Maße vor allem von russischem Gas abhängen. Während die US-Wirtschaftsdaten überwiegend relativ stabil sind, dürfte sich China zumindest stabilisieren - wenn nicht leicht erholen -, sobald die Covid-Einschränkungen nachlassen. Immerhin war dort die Anzahl der registrierten Neuinfektionen zuletzt rückläufig. Zudem stimuliert China, anders als der Westen, seine Wirtschaft mit Zinssenkungen und steuerlichen Impulsen, die nach einem Ende der Beschränkungen ihre Wirkung erst richtig entfalten sollten. Indes springt beim Blick auf die Performance-Tabelle der Vorwoche unten vor allem der Anstieg der zweijährigen Bundrendite um fast einen Viertelprozentpunkt ins Auge: So ist eine erste Leitzinsanhebung der EZB bereits im Juli mittlerweile zum Basisszenario der Märkte geworden, nachdem auch EZB-Präsidentin Christine Lagarde diese schließlich in Aussicht stellte - auch wenn sie erste Spekulationen über eine Anhebung gleich um 50 statt der üblichen 25 Basispunkte herunterspielte. Klar scheint: Die EZB steht als eine der letzten bedeutenden westlichen Notenbanken nun auch vor der Zinswende. Unterdessen dürfte die weltweite Inflation, wenn es keine neuen Schocks mehr gibt, in diesem Jahr ihren Höhepunkt erreichen. Die jüngsten US-Zahlen zeigten immerhin bereits eine leichte Verlangsamung. Die Effekte im wichtigsten Inflationsgrund, den Energiepreisen, verdeutlicht das Beispiel Öl: Der Preis stieg vom Tief bei 15 Dollar je Barrel Brent auf aktuell rund 115 Dollar - ein Anstieg um 666 %. Sollte der Preis aber bei 115 Dollar bleiben, würde das nach zwölf Monaten eine Veränderungsrate von 0 % bedeuten. Dazu kommt, dass sich die Nachfrage normalisiert, denn das Lohnwachstum, gemessen an den geglätteten durchschnittlichen Stundenlöhnen, hat sich in den USA seit vier Monaten kontinuierlich verlangsamt. Der fiskalische Impuls hat sich abgeschwächt. Zugleich steigen die Zinsen und das Geldmengenwachstum verlangsamt sich. Zudem wird das Angebot wohl bald wieder steigen und die Inflation bei wohl eher rückläufiger volkswirtschaftlicher Nachfrage nach unten drücken. Dennoch dürften die Inflationsraten trotz aller technologischen Innovationen und der alternden Gesellschaft höher als vor der Pandemie bleiben - dafür sorgen mittelfristig schon alleine die Kosten für den "grünen Wandel" und stärker lokal ausgerichtete Lieferketten, also der Trend hin zur Deglobalisierung. Kurzfristig bleiben vor allem die steigenden Lebensmittelpreise ein Risiko.
Dass das Startquartal 2022 in Euroland sehr ordentlich lief, bestätigt die leichte Aufwärtsrevision des Wirtschaftswachstums auf eine Jahresrate von 5,1% (bei 7,4% Inflation). Dabei blieb das Verbrauchervertrauen für Mai deutlich gedämpft. Indes deuten sowohl die deutschen Großhandels- als auch Produzentenpreise bisher noch auf keine Entspannung an der heimischen Inflationsfront hin. Das Ifo-Geschäftsklima erholte sich im Mai zum zweiten Mal in Folge leicht von seinem Absturz im März - was allerdings fast ausschließlich an der Einschätzung der aktuellen Lage der deutschen Unternehmen - und nicht an ihren nach vorne gerichteten Erwartungen - liegt. Das Fazit der Münchner Konjunkturforscher: "Die Unternehmen bleiben skeptisch - die deutsche Wirtschaft erweist sich trotz Inflationssorgen, Materialengpässen und Krieg in der Ukraine als robust." Anzeichen einer Rezession in Deutschland sieht das Ifo-Institut derzeit dementsprechend nicht - wobei der Blick auf die Verbraucherseite mit dem zuletzt auf einen historischen Tiefstand abgestürzten GfK-Konsumklima diebezüglicher skeptischer macht. In Großbritannien sprang die Teuerungsrate sogar auf 9,0%, wobei dort auch die Löhne spürbarer als bisher im Euroraum steigen. Und in den USA, wo die Industrieproduktion im April im Gegensatz zu diversen regionalen Stimmungsindizes klar zulegte, wuchsen die Einzelhandelsumsätze etwas weniger als erwartet. In diesem Umfeld machte Fed-Chef Jerome Powell klar, dass die US-Notenbank alles tun werde, um die Inflation in den Griff zu bekommen - selbst wenn damit die Konjunktur gebremst werden sollte. Und in Asien stieg Japans Inflation im April erstmals seit fast acht Jahren wieder auf zweieinhalb Prozent, während China mit der Senkung zweier wichtiger Zinssätze seine Wirtschaft stützte.
An den Finanzmärkten haben Sorgen hinsichtlich der Konjunktur diejenigen hinsichtlich der Inflation als Top-Thema abgelöst. Die Rezessionsängste im Markt haben jedenfalls zugenommen. Das Wachstum wird sich weiter abschwächen, die Inflation aber vorerst hoch bleiben – die Notenbanken stecken dabei in der Zwickmühle. Die Datenwoche bringt nach dem Ifo-Geschäftsklima morgen vor allem die Einkaufsmanager-Indizes für Europa (inklusive Deutschlands), die USA und Japan. Am Mittwoch geht dann in Deutschland der Blick von der Unternehmen auf die Verbraucher über, wenn das GfK-Konsumklima für Juni veröffentlicht wird. Am selben Tag wird das Statistische Bundesamt die finalen Zahlen zum Bruttoinlandsprodukt im Startquartal 2022 bekanntgeben. In den USA richtet sich der Fokus nach den Einkaufsmanger-Indizes morgen am Mittwoch auf die Auftragseingänge für langlebige Wirtschaftsgüter im April sowie auf das Protokoll zur jüngsten Fed-Sitzung, das dann publiziert wird. Am Donnerstag steht eine aktualisierte Schätzung der US-Wirtschaftsleistung im ersten Quartal an, bevor am Freitag Kerninflationszahlen Amerikas Datenwoche abschließen. In Asien kommen unter anderem Chinas Industriegewinne im April (Freitag) sowie Japans Produzentenpreise für Mai (Donnerstag).

RELATIVE TAKTISCHE ASSET-ALLOCATION
Unsere Anlagestrategie bleibt weiterhin auf Diversifikation ausgerichtet. Dabei bleiben wir bei unserer übergewichteten Aktienposition mit einer anhaltenden Präferenz für die USA gegenüber Europa und Japan. Zudem übergewichten wir auch Aktien der aus unserer Sicht insgesamt attraktiv bewerteten Schwellenländer, in denen mit Blick nach vorne teilweise auch wieder mehr geldpolitische Lockerungsmaßnahmen wahrscheinlich sind. Unsere strukturellen Branchenfavoriten lauten nach wie vor Technologie und Gesundheit.
Auf der Rentenseite favorisieren wir weiterhin Schwellenländer-Staatsanleihen in Hartwährung sowie asiatische Hochzinsanleihen gegenüber niedrig verzinslichen Anleihen. Da die US-Märkte inzwischen eine klare Fed-Straffung einpreisen, haben wir kürzlich die Untergewichtung von US-Investmentgrade-Bonds reduziert, während wir die Untergewichtung von Euro-Staatsanleihen erhöht haben. Gold bleibt ein Kernbestandteil unserer Diversifizierungsstrategie.

Das vollständige PDF zum Herunterladen finden Sie hier.



 





*Die dem vorliegenden „Blick über die Märkte“ zugrundeliegenden Informationen stammen aus Medienberichten, öffentlich zugänglichen Unternehmensberichten und den gesondert angegebenen Quellen. Die Quellen wurden von Merck Finck auf der Basis ihrer professionellen Einschätzung als verlässlich gewertet. Merck Finck kann jedoch keine Haftung für die Korrektheit und Vollständigkeit der Informationen übernehmen. Die dargestellten  Annahmen, möglichen Entwicklungen und Meinungen stellen Merck Fincks professionelles Urteilzum Zeitpunktder Veröffentlichung des „Blicks über die Märkte“dar und unterliegen der Möglichkeit der jederzeitigen Änderung, ohne dass dies zu einer entsprechenden Veröffentlichung führen muss Der „Blick über die Märkte“ stellt in keinster Weise ein Angebot, eine Aufforderung oder  eine Empfehlung zum Erwerb oder Verkauf eines Finanzinstrumentes oder der Beauftragung einer Finanzdienstleistung dar.  Merck Finck weist daraufhin, dass Finanzanlagen das Risiko des vollständigen Kapitalverlustes innewohnen kann. Der Anleger sollte ausschließlich in Finanzanlagen investieren, deren Risiken er auf Basis seiner Erfahrungen und Kenntnisse verstehen kann und diese zu tragenerfinanziell bereit und in der Lage ist. Vor einer Investition in einzelne Finanzinstrumente bzw. der Beauftragung von Finanzdienstleistungen sollte unbedingt professioneller Rat eingeholt werden. Copyright © 2020: MERCK FINCK A QUINTET PRIVATE BANK (EUROPE) S.A. branch