Die Fed beginnt mit Leitzinssenkungen
In der vergangenen Woche beschloss die US-Notenbank (Fed) eine Leitzinssenkung um einen halben Prozentpunkt, also 50 Basispunkte, und brachte den Leitzins damit in den Bereich von 4,75-5,00 %. Normalerweise bewegen sich die Notenbanken in Schritten von 25 Basispunkten. Diese drastischere Zinssenkung könnte darauf zurückzuführen sein, dass die Fed ein doppeltes Mandat hat, nämlich Preisstabilität und maximale Beschäftigung (im Gegensatz zu den meisten anderen Notenbanken, die sich ausschließlich auf Preisstabilität konzentrieren). Die Inflation in den USA ist derzeit gesunken, und es werden weniger – aber immer noch – neue Arbeitsplätze geschaffen. Man könnte also sagen, dass die Fed 25 Basispunkte für die Inflation und die anderen 25 Basispunkte für den Arbeitsmarkt gemacht hat – so jedenfalls war im Wesentlichen die Botschaft, die Fed-Chef Jerome Powell vermittelte.
Der Markt reagierte daraufhin positiv auf die Senkung. So erreichte der S&P 500 vergangene Woche einen neuen Rekord und auch der technologielastige Nasdaq Composite Index legte zu und näherte sich seinem Höchststand vom Juli. Die Renditekurve der US-Staatsanleihen wurde steiler (die Renditen von Anleihen mit kurzer Laufzeit fielen schneller als die von Anleihen mit langer Laufzeit), aber die Anleiherenditen bewegten sich insgesamt kaum, da der Rentenmarkt die Entscheidung der Fed erwartet hatte. Der US-Dollar wertete auf breiter Front ab und entsprach damit unserer Einschätzung eines leicht schwächeren Dollars infolge der Fed-Zinssenkungen. Gold legte weiter zu, unterstützt durch die Aussicht auf niedrigere Zinsen und die starke Nachfrage der Zentralbanken.
Wirkt sich die Entscheidung der Fed auf unsere Positionierung aus?
Die kurze Antwort lautet nein, da sich die Aussichten nicht wesentlich geändert haben. Wir rechnen weiterhin mit einer Verlangsamung des US-Wachstums, aber nicht mit einer Rezession (also einer "weichen Landung"). Aus diesem Grund halten wir im Vergleich zu unserer langfristigen Allokation etwas mehr Aktien. Abgesehen davon beobachten wir zwei plausible Wege, wie es weitergehen könnte.
Einerseits wird der Markt wahrscheinlich die Notwendigkeit weiterer Leitzinssenkungen neu bewerten, wenn die Stimmung weiterhin positiv bleibt und sich die US-Daten nicht wesentlich abschwächen oder sogar verbessern. Der Markt rechnet derzeit mit einigen weiteren Zinssenkungen, als die Fed in ihren Prognosen angegeben hat, was zu Volatilitätsschüben am Anleihemarkt führen könnte. Aus diesem Grund halten wir taktisch weniger US-Staatspapiere im Vergleich zu unserer langfristigen Allokation.
Sollte sich der US-Arbeitsmarkt hingegen stärker abschwächen, könnte es Anlegern schwer fallen, ihren Optimismus aufrechtzuerhalten. Im Rahmen unserer langfristigen, diversifizierten Allokation halten wir etwa drei Viertel unseres festverzinslichen Engagements in hochwertigen Staatsanleihen und Investmentgrade-Unternehmensanleihen. Diese dürften von den niedrigeren Zinsen profitieren und könnten die Performance abfedern, sollte das Wachstum die Erwartungen übertreffen.
Was andere Notenbanken vergangene Woche taten (und nicht taten)
Die Bank of England (BoE) hat beschlossen, ihren Leitzins bei 5,00 % zu belassen. In gewisser Weise waren die britischen Konjunkturdaten robust und die Inflation etwas stabiler, so dass dies die Entscheidung des geldpolitischen Ausschusses, die Zinsen unverändert zu belassen, beeinflusst haben könnte. Angesichts der Leitzinssenkungen anderer Zentralbanken war das Pfund in der vergangenen Woche eine der Währungen mit der besten Performance. Mit einer stärkeren Währung wird sich die importierte Inflation wahrscheinlich schneller verlangsamen, und angesichts weniger wettbewerbsfähiger Exporte könnte dies auch das Wirtschaftswachstum bremsen. Außerdem dürfte der am 30. Oktober anstehende Haushalt restriktiv ausfallen und könnte das Wachstum weiter belasten. In diesem Fall könnte sich die Verbraucherinflation schneller abschwächen als erwartet. Dies ist einer der Gründe, warum wir davon ausgehen, dass die Bank of England sich anderen Notenbanken anschließen und die Zinssätze im Laufe dieses Jahres erneut senken wird.
Die Bank of Japan (BoJ) beschloss einstimmig, ihren Leitzins bei 0,25 % zu belassen, was für die globalen Märkte von Bedeutung war, da die überraschende Anhebung der Zinssätze im August eine der Ursachen für den Volatilitätsanstieg war. Die BoJ gibt nach wie vor einen positiven Ausblick für die heimische Wirtschaft, und die Grundsatzerklärung und die Botschaft des BoJ-Gouverneurs deuten darauf hin, dass sie die Leitzinsen erneut anheben könnte. Über den Zeitpunkt und das Ausmaß wurden jedoch keine Angaben gemacht. Der Yen wertete in der vergangenen Woche trotz der Dollarschwäche ab.
In Norwegen beließ die Norges Bank ihren Leitzins ebenfalls unverändert bei 4,5 % und deutete an, dass sie ihn bis Ende des Jahres beibehalten wird. Obwohl die Norges Bank ein "schwaches Wachstum der norwegischen Wirtschaft" und eine "sinkende Inflation" feststellte, hat sie unserer Meinung nach die Zinsen aus zwei Gründen beibehalten. Erstens liegt die Inflation dort mit 2,6 % immer noch über dem Zielwert, ebenso wie die langfristigen Inflationserwartungen. Zweitens hat sich die norwegische Krone (NOK) seit geraumer Zeit schlecht entwickelt. Obwohl Norwegen ein Nettoexporteur ist, vor allem von Erdölprodukten, die etwa 75 % der Gesamtausfuhren ausmachen, importiert das Land in großem Umfang teure Güter wie Autos und Produkte für seine verarbeitende Industrie. Eine schwache NOK ist ein Gegenwind für die Senkung der Inflation.
Maßnahmen der Notenbanken gehen diese Woche weiter
Diese Woche begann mit der Veröffentlichung europäischer Konjunkturindikatoren für September. Es wurde dabei einmal mehr klar, dass die Erholungsdynamik in den europäischen Kernländern ins Stocken gerät. In Frankreich ist der Dienstleistungssektor nach dem Aufschwung, den das Land durch die Olympischen Spiele erfahren hat, stark zurückgegangen. In Deutschland schrumpfte das verarbeitende Gewerbe deutlich, während der Dienstleistungsbereich kaum noch wuchs. Dies bedeutet, dass sich Deutschland wahrscheinlich in einer leichten technischen Rezession befindet (zwei aufeinanderfolgende Quartale mit negativem Wachstum). Im Vereinigten Königreich gaben die Einkaufsmanagerindizes ebenfalls nach, befinden sich aber weiterhin im Expansionsbereich. Das schwache Wachstum dürfte die Inflation belasten, und die Notenbanken werden ihre Leitzinssätze wohl weiter senken. Aus diesem Grund bleiben wir bei kurzlaufenden Anleihen in der Eurozone übergewichtet.
Wir halten es für wahrscheinlich, dass die Schweizerische Nationalbank (tagt diesen Donnerstag) eine Zinssenkung um 25 Basispunkte vornehmen wird, was den Leitzins dort auf 1 % senken würde, da die Inflation weiterhin nach unten überrascht. Der Schweizer Franken ist im dritten Quartal stark geblieben und hat die importierte Inflation begrenzt. Wir erwarten, dass die schwedische Riksbank (tagt am Mittwoch) aufgrund des schwächeren Wachstums und der gedämpften Inflation ebenfalls zum dritten Mal die Zinsen senken wird. Die Schwedische Krone (SEK) hat in diesem Jahr weniger abgewertet als die NOK, da der Rückgang der Ölpreise (bisher -3 % in diesem Jahr) die NOK negativ beeinflusst, während er für die SEK kaum ins Gewicht fällt.
Während in Deutschland die wichtigsten Veröffentlichungen morgen das Ifo-Geschäftsklima sowie am Donnerstag das GfK-Konsumklima sein werden, stehen in den USA morgen das Verbrauchervertrauen sowie am Freitag noch einige Inflationsdaten an. Der US-Index der persönlichen Verbrauchsausgaben, der bevorzugte Inflationsindikator der Fed, wird wahrscheinlich den Rückgang der Verbraucherpreisinflation widerspiegeln, eine Entwicklung, die die US-Notenbank wahrscheinlich begrüßen würde. Die Inflationsdaten für die Eurozone werden dann nächste Woche am Dienstag erwartet.
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