Die Berichtssaison für das zweite Quartal 2025 startet kommende Woche traditionell mit JPMorgan Chase – und sie beginnt in einem Umfeld, das auf den ersten Blick wenig Spielraum für Euphorie lässt. Seit Mai wurden die Konsensschätzungen für den S&P 500 um rund zwei Prozent gekappt; damit zeichnet sich das schwächste Gewinnwachstum seit Jahren ab. Gleichzeitig kletterte das Kurs-Gewinn-Verhältnis auf Basis der künftig erwarteten Gewinne (Forward PE) auf 23. Dieses Bewertungsniveau knüpft an historische Höchststände an.
Doch weil die Latte nun niedriger liegt, könnten robuste Margen überraschend oft für positive Schlagzeilen sorgen – vor allem bei Tech- und Kommunikationswerten, deren Gewinne weiter zweistellig wachsen sollen.
Da Banken gleich zu Beginn der Berichtssaison Einblick in ihre Bücher geben, werden sie den Takt vorgeben: In den USA federt die sich abzeichnende Deregulierung zwar die Konjunkturabkühlung ab, doch die Flaute im Geschäft mit Fusionen und Übernahmen hinterlässt Bremsspuren. Europas Institute profitieren zwar von fiskalischen Stimuli, doch wirkt ihre Kursentwicklung für den Moment ausgereizt. Damit bleiben sie auch anfällig für Eintrübungen der Konjunktur und eine steigende Risikovorsorge. Gerade deutsche Banken sind hier angesichts stark angestiegener Problemkreditbestände verwundbar. Mittel- bis langfristig erscheinen europäische Banken dank solider Kapitalausstattung dennoch günstiger bewertet als ihre US-Pendants.
Aus Anlegersicht bleiben – europäische – Finanzdienstleister nach wie vor einer der Sektoren im Fokus. Wir bleiben hier übergewichtet. Gleiches gilt für die Branchen Telekom, Gesundheitswesen und Software. Hinzu kommen die Sektoren Rüstung und Luft- und Raumfahrt, die von rekordhohen Verteidigungsetats profitieren. Dagegen gilt es, China-sensitive Zykliker wie Auto- und Luxusgüterhersteller weiter zu meiden. Dies gilt ungeachtet der Tatsache, dass deutsche Hersteller jüngst wieder in die Führungsposition bei Elektroautos gelangt sind.
Branchenübergreifend gefährden jedoch geopolitische Spannungen, Währungsschwankungen und eine erratische Handelspolitik die Gewinnpfade. Dies macht die nun startende Berichtssaison zum entscheidenden Stimmungstest für die zweite Jahreshälfte.
Marc Decker
Co-Leiter Aktien Quintet Private Bank