In der Welt der Kapitalmärkte ist Transparenz ein zentrales Gut. Anleger, Analysten und andere Stakeholder sind auf verlässliche Informationen angewiesen, um fundierte Entscheidungen treffen zu können. Der Markt honoriert höhere Transparenz sogar messbar, denn Unternehmen mit Quartalsreportings schneiden an der Börse langfristig besser ab als Firmen, die nur halbjährlich Einblicke gewähren. Die aktuelle Debatte in den USA um die Abschaffung der Pflicht zu Quartalsreportings geht deswegen in die falsche Richtung.
Aus politischer Sicht sind die Argumente gegen verpflichtende Quartalsreportings nachvollziehbar. Immerhin sieht selbst in Europa die gesetzliche Mindestanforderung nur halbjährliche Finanzberichte für börsennotierte Unternehmen vor. Die EU wollte mit der Abschaffung verpflichtender Quartalsveröffentlichungen vor allem kleinere Emittenten entlasten. Quartalsberichte gelten als aufwendig, kostenintensiv und fördern laut Kritikern ein kurzfristiges Denken im Management. Statt langfristiger Strategien würden Unternehmen sich zu stark auf die Erfüllung kurzfristiger Erwartungen konzentrieren Die halbjährliche Berichtspflicht soll daher Raum für nachhaltigere Unternehmensführung schaffen.
Weniger Transparenz hat ihren Preis
Doch diese Entlastung hat für Unternehmen, die sie nutzen, auch ihren Preis. Analysten und institutionelle Investoren beklagen, dass die Informationslücken zwischen den Berichtsperioden zu groß seien. Gerade in volatilen Märkten oder bei Unternehmen mit dynamischer Geschäftsentwicklung sind aktuelle Daten essenziell, um Risiken und Chancen zeitnah bewerten zu können.
In einigen Branchen ist ein engmaschiges Informationsnetz von besonders hoher Bedeutung. Gerade Finanzdienstleister (Banken, Versicherungen, Investmentgesellschaften) unterliegen hoher Volatilität und komplexen regulatorischen Anforderungen. Hier erwarten Investoren und Aufsichtsbehörden häufige Updates zur Risikolage und Kapitalstruktur. Derweil sind es bei Wachstumsfirmen aus dem Technologiesektor vor allem schnelle Innovationszyklen und große Nachfrageschwankungen, die dafür sorgen, dass Investoren regelmäßig Informationen zu Fortschritt bei Umsatz, Nutzerzahlen oder Produktentwicklung erwarten. Ein weiteres Beispiel sind Unternehmen aus den Sektoren Einzelhandel und Konsumgüter, bei denen Anleger sich in kurzen Abständen Einblicke in saisonale Schwankungen (z. B. Weihnachtsgeschäft) wünschen.
Wer häufiger berichtet, schneidet bei Investoren besser ab
Wer die gewünschte Transparenz liefert, wird dafür belohnt, wie empirische Studien und Marktanalysen zeigen. In der Tendenz schneiden Unternehmen mit vierteljährlicher Berichterstattung langfristig oft besser ab. Auch wir haben die Performance von Aktien aus einem breiten europäischen Index über 5 und 10 Jahre genauer analysiert. So entwickelten sich die Kurse von Unternehmen mit vierteljährlicher Berichtslogik im Schnitt über 5 Jahre um ca. 59% und über 10 Jahre um ca. 82% besser als Gesamtindex (inklusive Unternehmen mit halbjährlicher Berichterstattung). Da die Unternehmen mit nur halbjährlicher Berichterstattung quantitativ deutlich geringer repräsentiert sind (nur ca. 10%), sehen die Zahlen nochmals deutlicher aus, wenn man die Unternehmen mit Berichten auf Halbjahresbasis zum Gesamtindex vergleicht. Bei dieser Betrachtung entwickelten sich die Kurse von Unternehmen mit halbjährlicher Berichtslogik im Schnitt über 5 Jahre um ca. -102% und über 10 Jahre um ca. -142% schlechter als der Gesamtindex.
Wir ziehen daraus die Schlüsse, dass Investoren Unternehmen mit häufigeren Berichten als transparenter und verlässlicher wahrgenommen werden. Dies führt zu:
• niedrigeren Risikoaufschlägen,
• besserem Zugang zu Kapital,
• und stabilerer Kursentwicklung.
Zudem können Analysten durch regelmäßige Updates schneller auf Veränderungen reagieren und fundiertere Einschätzungen treffen. Die höhere Frequenz verbessert die Prognosefähigkeit und reduziert Unsicherheiten – ein klarer Vorteil in einem zunehmend komplexen Marktumfeld.
Für Unternehmen und ihre Investoren ist eine quartalsweise Berichterstattung klar von Vorteil. Zwar ist der Antritt der Politik, Unternehmen zu entlasten – in Europa ebenso wie in den USA – grundsätzlich nachvollziehbar. In den USA ist das letzte Wort nicht gesprochen. Die US-Börsenaufsicht SEC prüft den Vorschlag derzeit. Doch Vorsicht ist geboten: Unter dem Strich könnte die vermeintliche Entlastung sich als Belastung erweisen.
Marc Decker
Co-Leiter Aktien I A Quintet Private Bank