BLITZLICHT

Unternehmen stemmen sich gegen Herausforderungen

Viele Unternehmen stemmen sich bislang erfolgreich gegen die geopolitischen und makroökonomischen Herausforderungen. Das ist zumindest das Bild, das sich aus der aktuell laufenden Quartalssaison ablesen lässt. Die bisherigen Ergebnisse der Berichtssaison waren besser als erwartet.

Zum Beispiel liegt das Gewinnwachstum des S&P 500 im Jahresvergleich über den zu Beginn der Berichtssaison prognostizierten Erwartungen, was in erster Linie auf positive Margenüberraschungen zurückzuführen ist. Auch die Häufigkeit positiver Gewinnüberraschungen liegt leicht über dem historischen Durchschnitt. Dabei ist jedoch wohl auch ein Sondereffekt zum Tragen gekommen: In Erwartung einer aggressiven US-Zollpolitik haben Unternehmen frühzeitig Lagerbestände aufgebaut und Investitionen getätigt, die nach Verhängung der Zölle teurer gewesen wären.

Dennoch lässt sich feststellen, dass die Unternehmen insgesamt robust ins vor allem politisch turbulente zweite Quartal gestartet sind. Nun zeichnet sich allerdings ab, dass die Unternehmenslenker mit größerer Unsicherheit in die Zukunft blicken, vor allem wegen der Zollankündigungen. So ist der Anteil der Unternehmen, die eine Ertragsprognose abgeben, gesunken. Und unter denjenigen, die eine Prognose abgeben, befindet sich ein überdurchschnittlich hoher Anteil an Firmen, die ihre Prognose unverändert gelassen haben – nicht etwa, weil sie unverändert zuversichtlich sind, sondern weil die Unsicherheit über die Entwicklung der weltweiten Handelshemmnisse eine seriöse Überarbeitung der Prognosen unmöglich macht.

Für Anleger ist es nun umso wichtiger, einen differenzierten Blick auf die Märkte zu nehmen und herauszufinden, welche Sektoren und Einzeltitel besondere Stärke bewiesen haben und damit auch besser gerüstet für die nächsten Monate sein dürften.

Zu den besten Sektoren, die bisher in Bezug auf die Gewinnsteigerungen hervorstechen, gehören Unternehmen aus den Sektoren Kommunikation, Technologie und Gesundheitswesen. Negative Überraschungen kamen aus den Sektoren Energie und Grundstoffe, die schwache Ergebnisse lieferten. Beim Gewinnwachstum konnten gut zwei Drittel der S&P 500-Unternehmen mit einem aggregierten Gewinn von 11,6% überraschen und damit über dem langfristigen Durchschnitt.  Die Glorreichen 7 weisen im Vergleich zum breiten Gesamtmarkt weiterhin ein weitaus stärkeres Gewinn- und Umsatzwachstum auf, jedoch mit schrumpfendem Abstand.

Die Lage der Unternehmen legt nahe, dass eine Rezession in den USA womöglich doch noch vermieden werden kann. Sollte sich diese aber doch einstellen, könnte sich die Annahme vieler Marktteilnehmer, dass eine Rezession bereits eingepreist ist, als zu optimistisch erweisen. So wird der S&P 500 noch immer mit einem Kurs-Gewinn-Verhältnis (KGV) von ca. 21 gehandelt, wobei für dieses Jahr ein Gewinnwachstum von ca. 7,5% und für das nächste Jahr von 12% erwartet wird, was nicht der Erwartung eines Rezessionsszenarios in den USA entspricht.

Wie sieht es derweil in Europa aus? Für den STOXX 600 startete die Berichtssaison eher holprig mit enttäuschenden Ergebnissen von Schwergewichten aus dem Technologie- und Luxusbereich, was dort für Verdruss bei den Investoren sorgte. Insgesamt übertrafen zur Halbzeit über die Hälfte europäische Aktien weiterhin die Gewinnerwartungen um durchschnittlich 6,7%, was über dem langfristigen Durchschnitt der Ertragsüberraschungen liegt. Gleichzeitig konnten über zwei Drittel der Unternehmen ein positives Gewinnwachstum vorweisen.

Im bisherigen Saisonverlauf haben Banken, Unternehmen aus dem Grundstoffsektor und Versorgeraktien teils deutlich positiv überrascht. Auf der anderen Seite haben vor allem Aktien aus den Bereichen Autos und Kommunikation unter den Erwartungen berichtet. Auch bei europäischen Aktien wurden verfehlte Markterwartungen von den Investoren regelrecht abgestraft. So wurden Aktien, die besonders von Zöllen und Unsicherheiten in der Welthandelspolitik betroffen sind (wie eben Autos oder Grundrohstoffe) besonders von Herabstufungen betroffen und schnitten seit Beginn des Quartals schlechter ab als der Markt. Auch nach diesen Revisionen rechnen die Analysten aber weiterhin mit einem leichten Gewinnwachstum von 0,3% im Jahr 2025.

Auch im DAX legten bisher rund 50% der Unternehmen ihre Quartalsergebnisse offen. Aufgrund von Sonderfaktoren wie dem erwarteten Investitionspaket der Bundesregierung gibt es bei den Anlegern einiges an Optimismus, während die gegenwärtige Lage sich vermutlich in der Talsohle befindet. Gerade zyklische Unternehmen könnten vom erwarteten Konjunkturaufschwung profitieren. Handelszölle, insbesondere aus den USA, belasten derweil exportorientierte Unternehmen wie Automobilhersteller, was durch die laufende Berichtssaison bestätigt wurde. Das KGV des DAX liegt trotz Rally im langfristigen Durchschnitt, was auf faire Bewertungen hinweist. 

Insgesamt haben sich die Unternehmensgewinne dies- und jenseits des Atlantiks solide entwickelt und als sehr widerstandsfähig erwiesen. Die Unternehmen haben die steigenden Inputkosten genutzt, um ihre Preissetzungsmacht zu stärken und höhere Gewinnmargen zu erzielen. Wird die Zollpolitik entgegen den jüngsten Signalen jedoch wieder verschärft, steigen auch die Abwärtsrisiken auf einen Schlag. Investoren tun gut daran, nicht mit ihrem gesamten Portfolio auf eine wirtschaftliche Erholung zu setzen, sondern einen guten Teil ihrer Anlagen defensiv auszurichten.

Marc Decker
Co-Leiter Aktien
Quintet Private Bank

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