Fünf Prozent US-Inflation: Kein Grund zur Panik!

Fünf Prozent US-Inflation: Kein Grund zur Panik!

Wir gehen davon aus, dass die US-Inflation bereits in diesem Quartal ihren Höhepunkt erreicht.
Blitzlicht vom 10. Juni 2021

Der eben veröffentlichte, erneute sprunghafte Anstieg der US-Inflation auf 5,0 Prozent im Mai ist kein Grund zur Panik. Dass im Vergleich zur quasi stillgelegten Wirtschaft im Vorjahr die Preise mit dem Abklingen der Covid-Krise stärker steigen würden, war klar. Schließlich stecken hinter der jüngsten Entwicklung primär Basiseffekte und temporäre Entwicklungen. Auf Monatsbasis ist der Inflationsanstieg im Mai zum April (+0,6 Prozent) gegenüber dem Vormonat (+0,8 Prozent im April gegenüber März) aber bereits rückläufig. Wir gehen davon aus, dass die US-Inflation bereits in diesem Quartal ihren Höhepunkt erreicht. In Richtung Sommer dürfte dann bereits die Normalisierung einsetzen – zumindest in den USA. Für Europa erwarten wir einen ähnlichen Verlauf auf voraussichtlich etwas niedrigerer Basis, nur um rund ein Quartal verzögert.

Es gibt fünf gute Gründe dafür, dass sich die Inflation wieder normalisieren wird:

  1. Die statistischen Basiseffekte durch die besonders geringen Inflationsraten im Vorjahr laufen nach und nach aus.
  2. Die vorübergehenden Engpässe auf der Angebotsseite dürften sich großteils wieder auflösen. Die vielerorts verhängten Lockdowns haben teils Versorgungslücken auf der Angebotsseite zur Folge, die sich jedoch nach und nach auflösen sollten. Auch meisten Anstiege von Transportkosten sollten sich als vorübergehend erweisen. 
  3. Die Nachholeffekte auf der Nachfrageseite werden naturgemäß ebenfalls nicht von Dauer sein. Nachdem viele Konsumenten in der Pandemie überdurchschnittlich viel gespart haben, fließt nun ein Teil der Überschussersparnisse in den Konsum und heizt die Inflation damit vorübergehend an. Allein in den USA waren etwa 2 Billionen US-Dollar mehr als üblich gespart worden.
  4. Der Wachstumstrend der Löhne und Gehälter – der wichtigste Treiber nachhaltiger Inflationstrends – ist sehr moderat und dürfte es auch bleiben. Das hält die Inflation im Zaum.
  5. Längerfristig wirkt zudem die durch die Pandemie noch schnellere Digitalisierung weiterhin disinflationär. Da die Digitalisierung während der Pandemie einen Schub bekommen hat und wir auf dieser Basis dynamische Innovationstrends erwarten, könnte die Gesundheitskrise aus diesem Blickwinkel auf längere Sicht sogar bremsend auf die Inflation wirken.

Unter dem Strich heißt das: Kurzzeitig kann die Inflation einen weiteren Sprung nach oben machen. Anschließend sollte sie sich nach und nach auf einem etwas höheren Niveau als vor der Pandemie weitgehend normalisieren. Auf lange Sicht spricht jedoch vieles eher wieder für moderate Inflationsraten und weiterhin niedrige Zinsen. Die Zentralbanken werden sich also kaum von ihrer lockeren Geldpolitik abwenden, aber die Märkte werden deren Langmut austesten. Insofern ist mit Volatilität zu rechnen – insbesondere an den Rentenmärkten.

Für Anleger heißt das: Die Inflation dürfte längerfristig weiterhin primär bei den Vermögenspreisen stattfinden, während das Gros der Inflation der Konsumentenpreise sich als vorübergehend erweisen sollte. An Aktien und anderen Realwerten führt daher weiterhin kein Weg vorbei. Einerseits können sie als Inflationsschutz wirken, andererseits bleiben sie ein Ausweg aus der Niedrigzinsfalle.

Robert Greil, Chefstratege bei Merck Finck a Quintet Private Bank


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