Die letzten Handelstage des Jahres sind traditionell von dünneren Umsätzen geprägt. Größere Ausschläge sind zwar möglich, bleiben aber meist die Ausnahme. Kurzfristige Impulse können aus überraschenden Makrodaten, geopolitischen Ereignissen oder temporären Liquiditätsengpässen entstehen – mit Blick auf den Krieg in der Ukraine keine theoretische Gefahr. Insgesamt spricht jedoch vieles für eine ruhige Marktphase zum Jahresausklang. Als Vorbote für 2026 ist das allerdings nicht zu interpretieren.
Ausblick 2026: Enttäuschungspotenzial bleibt erheblich
Ein Indikator für zu erwartende Schwankungen im kommenden Jahr: Die Erwartungen des Marktes sind bereits sehr hoch. Eingepreist ist ein zweistelliges Gewinnwachstum der großen Aktienindizes. Die Bewertungen sind ambitioniert, werden allerdings durch die Gewinnperspektiven grundsätzlich getragen.
Die zentralen Chancen liegen in der zunehmenden Breitenwirkung der KI-Investitionen. Produktivitätsgewinne dürften sich stärker in den Unternehmensgewinnen niederschlagen. Technologie, Halbleiter, Cloud-Dienste und Software stehen dabei im Fokus. Auch die Industrie profitiert von den Investitionsprogrammen in Verteidigung, Infrastruktur, Energiewende und resilientere Lieferketten. Der Gesundheitssektor punktet derweil mit stabiler Nachfrage, starken Produktpipelines und strukturellem Rückenwind durch die alternde Bevölkerung. Europa und Teile Asiens könnten durch fiskalische Impulse und eine breitere Gewinnbasis weiter Boden gutmachen.
Dem stehen Risiken gegenüber: Geopolitik sowie Handels- und Zollpolitik bleiben potenzielle Störfaktoren. Hinzu kommt: Die starke Abhängigkeit der Märkte von wenigen Mega-Caps erhöht die Anfälligkeit für Stimmungsumschwünge. Auch der Zinspfad ist nicht frei von Überraschungen.
Sektoren: Selektiv vorgehen!
Für 2026 bleibt der Sektorblick differenziert. Informationstechnologie und Kommunikationsdienste sind unsere klaren Favoriten – getragen von KI-Nachfrage und Cloud-Infrastruktur. Auch der Gesundheitssektor überzeugt mit attraktiven Bewertungen, widerstandsfähigen Erträgen und hoher Vorhersagbarkeit der Ergebnisentwicklung. Der Industriesektor profitiert von strukturellen Investitionszyklen, auch wenn operative Risiken hier erheblich sind.
Zurückhaltender sind wir bei Grundstoffen: Schwächen im Wohnungsbau, Handelsunsicherheit und höhere Energiekosten belasten die kurzfristigen Perspektiven. Elektrifizierung und Infrastruktur sorgen zwar für Nachfrage, doch das Bild bleibt uneinheitlich. Der Konsumgütersektor bleibt bei uns ebenfalls untergewichtet, da Margendruck und Zinssensitivität Vorsicht gebieten. Finanzen, Basiskonsum, Energie, Versorger und Immobilien stufen wir derzeit neutral ein.
Portfoliostrategie: Qualität im Fokus
Vor diesem Hintergrund empfehlen wir für 2026 eine moderat erhöhte Aktienallokation. Im Zentrum stehen Qualitätsunternehmen mit robusten Cashflows und strukturellem KI-Wachstum. Ergänzend setzen wir auf Gesundheits- und Industriewerte, um von Innovationszyklen und Investitionsprogrammen zu profitieren. Grundstoffe und zyklische Konsumgüter bleiben untergewichtet, die übrigen Sektoren werden neutral gesteuert.
2026 dürfte ein Jahr werden, in dem Gewinne statt Fantasien wieder klarer im Mittelpunkt stehen. Geldpolitische Normalisierung und die zunehmende Produktivitätswirkung von KI sprechen für ein grundsätzlich konstruktives Marktumfeld. Entscheidend bleibt jedoch Disziplin: Chancen nutzen, Risiken im Blick behalten – und nicht jedem Trend blind folgen.
Über den Autor: Marc Decker ist Co-Leiter Aktien bei der europaweit agierenden Quintet Private Bank, zu der die deutsche Privatbank Merck Finck gehört. Im Blitzlicht der Woche kommentiert der Experte regelmäßig aktuelle Entwicklungen an den internationalen Aktienmärkten.



