Investoren am Anleihemarkt sollten sich perspektivisch auf eine wachsende Bedeutung von EU-Anleihen einstellen. In Deutschland und einzelnen anderen Ländern sind die „Eurobonds“ verpönt, weil sie als Einstieg in die Vergemeinschaftung von Staatsschulden gelten. Doch sollte sich die EU für eine nochmals kräftigere Steigerung der Ausgaben für Verteidigung und Rüstung entscheiden, dann könnten EU-Anleihen das Mittel der Wahl für die Finanzierung sein. Sowohl die EU selbst als Emittentin als auch andere Akteure ebnen den Weg hin zu künftig mehr Eurobonds. Dabei könnte beispielsweise eine verstärkte militärische Aggression Russlands die Gangart der EU nochmals beschleunigen.
Der Präzedenzfall war die Schaffung eines besonderen Instrumentes, um die Bewältigung der Folgen der Corona-Pandemie zu finanzieren. Dazu hat die EU ihren Fonds NextGeneration EU mit eigenen Anleihen finanziert – und damit ein neues Marktsegment geschaffen. Es ist nicht klein: Mit einem ausstehenden Volumen von rund 650 Milliarden Euro ist die EU bereits die fünftgrößte Emittentin der Eurozone, noch vor Belgien.
Mit dem EU-Investitionsprogramm namens „Safe“ ist nach NextGeneration EU bereits ein weiteres Programm entwickelt worden, das mit Eurobonds finanziert werden kann und in diesem Fall der Aufrüstung der Mitgliedsstaaten dienen soll. An weiteren Anleiheprogrammen wird wohl ebenfalls gearbeitet, auch wenn deren Realisierung noch offen ist. Damit legt die EU zunehmend die Basis dafür, bei entsprechenden politischen Entscheidungen schnell neue Eurobonds in möglicherweise hohen Volumina auflegen zu können.
Und auch der Terminmarkt rüstet sich: Seit nunmehr zwei Wochen legt die Terminbörse Eurex Futures auf EU-Anleihen auf und macht diese damit noch marktgängiger, da es diese Instrumente etwa ermöglichen, auch auf fallende Kurse zu setzen.
Ein nächster Schritt könnte unter anderem die Aufnahme von EU-Papieren in Indizes für Staatsanleihen werden. Dies würde es beispielsweise Staatsanleihefonds einfacher machen, zu investieren. Das Ergebnis wäre eine höhere Marktliquidität, mehr Nachfrage nach den Papieren und damit auch geringere Risikoaufschläge. Um Umkehrschluss würde dies zu einer günstigeren Finanzierung von EU-Plänen mittels eigener Anleihen beitragen.
Robert Greil
Chefstratege
Merck Finck I A Quintet Private Bank