Die laufende Berichtssaison bestätigt, was Investoren zunehmend erwarten: Qualität und Substanz gewinnen an Bedeutung – vor allem in Europa. Unternehmen, die die Gewinnerwartungen verfehlen, werden hingegen stark abgestraft. In den kommenden Tagen werden unter anderem BMW, Knorr-Bremse, Shell und Air Liquide ihre Zahlen vorlegen. Diese Unternehmen stehen exemplarisch für Branchen, die derzeit stark unter strukturellem und geopolitischem Druck stehen.
„Der Zolldeal bringt kurzfristige Erleichterung, aber die strukturellen Herausforderungen vieler europäischer Unternehmen bleiben bestehen“, so die Einschätzung von Marc Decker, Co-Leiter Aktien bei Quintet. Decker weiter: „Bislang haben rund ein Drittel der Unternehmen aus dem STOXX 600 und dem S&P 500 ihre Zahlen für das zweite Quartal veröffentlicht. Während in den USA nahezu alle Sektoren positiv überraschten, zeigt sich in Europa ein deutlich uneinheitlicheres Bild. Banken konnten dies- wie jenseits des Atlantiks mit starken Ergebnissen überzeugen. US-Institute übertrafen die Gewinnerwartungen im Schnitt um mehr als elf Prozent, europäische Banken um über acht Prozent.
In anderen Sektoren fällt die Bilanz schwächer aus. Industrie, Grundstoffe, Energie, Immobilien und nicht-zyklischer Konsum lagen teils klar unter den Erwartungen. Diese sektorale Spreizung spiegelt sich auch in den Kursreaktionen wider: Unternehmen, die den Konsens verfehlen, verzeichnen aktuell besonders deutliche Kursverluste.
Im Technologiesektor war Alphabet bislang der klare Lichtblick. Umsatz und Gewinn übertrafen die Prognosen, und der strategische Fokus auf Künstliche Intelligenz wurde vom Markt honoriert. Tesla hingegen verfehlte sowohl Umsatz als auch Ergebnis und steht weiterhin unter Druck – unter anderem wegen gestiegener Zölle und zunehmender Konkurrenz.
Gleichzeitig beobachten wir eine beginnende Marktrotation. Substanzwerte wie Banken, Versorger und selektive Mid Caps mit solider Bilanzqualität rücken stärker in den Fokus. Wachstumswerte mit hoher Bewertung und unklarer Visibilität geraten dagegen unter Druck. Gerade im europäischen Marktumfeld entstehen hier neue Perspektiven für langfristig orientierte Anleger. Der Zolldeal bringt für viele exportorientierte Unternehmen mehr Planungssicherheit. Eine grundlegende Trendwende bedeutet er jedoch nicht. Hohe Kosten, ein komplexes regulatorisches Umfeld und geopolitische Spannungen belasten die Ertragslage weiterhin.“
Marc Decker
Co-Leiter Aktien Quintet Private Bank